Beim Retrieval in älteren konventionellen Katalogen und Bibliographien (z.B. Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV) und Gesamtkatalog der preußischen Bibliotheken (GK)) ist es hilfreich, wesentliche Ordnungsprinzipien des zugrundeliegenden Regelwerks, der Preußischen Instruktionen (PI), und, leicht abweichend, auch der Münchener Katalogisierungsordnung (MKO), zu kennen.
Besonderheiten:
Der Hauptunterschied zu den Regeln für die Alphabetische Katalogisierung (RAK) [→ RAK-WB] und dem seit 2011 in Deutschland gültigen Regelwerk Resource Description and Access (RDA) [→ RDA-Toolkit] besteht in der Sortierung der Sachtitel: Reihenfolge nicht nach der mechanischen, sondern nach der grammatikalischen Wortfolge. Erstes Ordnungswort ist in der Regel das erste unabhängige Substantiv (Ausnahme: Titel in Satzform = „Satztitel“). Dieses Verfahren fand bereits bei den Messkatalogen im 18. Jahrhundert seine Anwendung und begründet sich in der damaligen Gestalt der Titel (Beispiel: "Richtiger und unumstößlicher Beweiß, daß die Kaiserlichen und Reichskleinodien mit Recht der freien Reichsstadt Nürnberg zu verwahren gehören ..." (VD18 10198806)). Darin wurde der Eigentümlichkeit der deutschen Sprache Rechnung getragen, Adjektive, Partizipialkonstruktionen u.ä. immer (auch wenn sie ohne wesentliche Bedeutung sind) vor das Substantiv zu stellen (vgl. Gradmann und Meisner).
Handschriftliche Katalogkarte aus dem Alphabetischen Katalog I der Staatsbibliothek zu Berlin (1. Ordnungswort unterstrichen) → Exemplar: Yu 5256 : R (VD17 23:233328Z) | Gedruckte Katalogkarte aus dem Alphabetischen Katalog II der Staatsbibliothek zu Berlin → Exemplar: Yu 5257 : R (VD17 1:663909V) |
Beispiele nach PI (1. Ordnungswort im Titel unterstrichen):
Titel in gewöhnlicher Form: | GEORG Friedrich Markgraf von Brandenburg => Verzeichnung einer Verordnung, eines Erlasses, eines Gesetzes, einer Bulle oder dergleichen unter dem im Titel genannten Urheber (Jedoch: Verzeichnung unter dem Sachtitel, wenn der Urheber nicht im Titel genannt ist) | Digitalisat (VD16 B 7008) |
BRUCKER, Jakob => Verfasser, in der Vorlage im Genetiv, wird im Nominativ angesetzt zum Ordnungswort | Digitalisat (VD18 11104473) | |
RHEGIUS, Urbanus => Flugschrift, die in mehreren ähnlichen Drucken vorliegt | Digitalisat (VD16 R 1763) | |
NIEMANN, Sebastian => Personalschrift: Leichenpredigt | Digitalisat (VD17 39:101978U) | |
Jedoch: => Personalschrift: Hochzeitsschrift | Digitalisat (VD18 11856912) | |
Titel in Satzform: | WIE man einem yegklichen Teutschen Fürsten schreyben sol => kein Verfasser genannt, daher Haupteintragung unter dem Sachtitel | Digitalisat (VD16 W 2570) |
Apposition: | AACHEN Regierungsbezirk => 2 nebeneinanderstehende Substantive im selben Kasus, das 2., spezifische ("Aachen") ist 1. Ordnungswort, der Artikel wird übergangen | Digitalisat |
Übergehung von bestimmten Substantiven, wenn sie nur den Umfang der Schrift oder ihr Verhältnis zu anderen Teilen desselben Werkes bezeichnen: | STATUTA civitatis magnificae Paduae => Übergehung von "libri", das von ihm abhängige Wort "statutorum" (Genitiv Plural neutrum) wird unter Berücksichtigung des Numerus und des Genus in den Nominativ ("statuta") umgewandelt zum 1. Ordnungswort | |
Übergehung von bestimmten Substantiven am Ende des Titels, wenn sie das Wesen der Schrift charakterisieren: | ZABOROWSKI, Stanisław => Verfasser ermittelt, Verweisung vom Sachtitel | |
ACTIONE nervorum musculos => Übergehung von "dissertatio", unabhängig davon ob es sich um eine Dissertation älterer Form handelt oder nicht | Digitalisat des separaten Drucks nicht nachweisbar | |
Übergehung bestimmter einleitender Formeln: | REIL, Jo[hannes] Christianus => Übergehung der Einleitungsformel "Dissertation inauguralis botanica" (so in der Vorlage), weil es sich um eine Dissertation älterer Form handelt, also auf dem Titelblatt sowohl eine Hochschule als auch der verliehene Doktorgrad genannt sind | |
Jedoch: => keine Übergehung von "Dissertatio", wenn keine Dissertation älterer Form vorliegt! | Beispiel in PI fingiert? (Nachweisbar ist VD17 3:683490Q, anscheinend eine Dissertation älterer Form.) | |
Briefsammlung: | BAHRT, Karl Friedrich POTT, Degenhard => Verzeichnung unter dem Empfänger, da keine Schreiber genannt sind (gleich verfahren bei Nennung von mehr als drei Verfassern!) | Digitalisat (Erster Theil) |
Ohne Titelblatt und Titel erschienener Erlass: | KARL VI. Kaiser von Deutschland => Verzeichnung unter dem Urheber, da dieser am Anfang des Erlasses genannt ist | Digitalisat (VD18 10501150) |
Inkunabeln: | ARISTOTELES => in den allgemeinen Alphabetischen Katalogen (AK) in der Regel nur kurz verzeichnet; umfassend beschrieben in Sonderkatalogen wie dem Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW), auf die im AK unterhalb der Kurzaufnahme verwiesen wird => GW02336 | Digitalisat (GW 02336, BSB-Ink A-700) |
ARISTOTELES => in den allgemeinen Alphabetischen Katalogen (AK) in der Regel nur kurz verzeichnet; umfassend beschrieben in Sonderkatalogen wie dem Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW), auf die im AK unterhalb der Kurzaufnahme verwiesen wird => GW02406 | Digitalisat nicht vorhanden |
Weitere Ordnungsprinzipien nach PI:
- Sachtitel ordnen vor Verfassern (z.B. Sachtitelschrift „Goethe und seine Welt“ vor den Werken von Goethe als Verfasser)
- Gesamtausgaben [Werke] ordnen vor Teilausgaben [Teils.] und Einzeltiteln
- Übersetzungen stehen unter dem Originaltitel (hinter den originalsprachlichen Ausgaben)
- I und J gelten als ein Buchstabe (d.h. Titel werden zusammen sortiert, z.B. „Jahr“ vor „Instruktion“)
- Altertümliche Schreibweise wird bei deutschen Titeln (meistens) normiert z.B. „Accise-Tariff “ = „Akzise-Tarif“ ; teilweise gibt es (Pauschal-)Verweisungen
- Umlaute werden aufgelöst sortiert (ä = ae, ... ß = ss)
- Keine Eintragungen unter Körperschaften
Literatur und Verzeichnisse:
Allgemeines:
- Frels, Wilhelm: Die bibliothekarische Titelaufnahme in Deutschland. - Leipzig, 1919 (Zentralblatt für Bibliothekswesen. Beiheft 47)
Hierhin eine detaillierte Beschreibung der unterschiedlichen Instruktionen zum Ende des 19. und zum Beginn des 20. Jahrhunderts (v.a. Breslauer Instruktionen von 1874/1886, Berliner Instruktionen von 1890/1892, Frankfurter Instruktionen von 1913, Freiburger Instruktionen um 1900, Kölner Instruktionen von 1886, Münchener Instruktionen von 1850, Münchener Instruktionen von 1905 und 1911, Preußische Instruktionen von 1899 und 1908, Straßburger Instruktionen von 1911 und Stuttgarter Instruktionen.) Ein vergleichbares Regelwerk in Österreich war die Vorschrift für die Verfassung des alphabetischen Nominal-Zettelkatalogs der Druckwerke der k. k. Hofbibliothek von 1901. Vergleichbare Regelwerke aus der Schweiz waren die Katalogisirungs-Instruktion zur Anlage der Titel-Copien für die gemeinsamen Zuwachs-Verzeichnisse der zürcherischen Bibliotheken (Escherregeln) von 1898 und der Entwurf zu einer Katalogisierungs-Instruktion für den Schweizerischen Gesamtkatalog ab 1913. - Gradmann, Robert: Ueber das Ordnungswort im alphabetischen Katalog. - In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 25.1908. - S. 289-302
- Meisner, Heinrich: Büchertitelmoden. - In: Zeitschrift für Bücherfreunde 8.1904/1905. - S. 38-43
- Popst, Hans: Die Entwicklung der alphabetischen Katalogisierung in Deutschland. - In: Buch und Philologie. Festschrift für Hans-Jürgen Schubert zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Bernd Lorenz. - Wiesbaden, 2005. - S. 91-106
Preußische Instruktionen (PI):
- Regeln (Sie umfassen die Form der Titelaufnahme, einschließlich der Wahl des 1. Ordnungswortes, und die Ordnung der Karten im Katalog):
- Retrieval:
- Kommentare und Sekundärliteratur:
- Bernhardi, L.: Lehr- und Handbuch der Titelaufnahme. - Berlin, 1923
- Fuchs, Hermann: Kommentar zu den Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preußischen Bibliotheken. - Wiesbaden, 1955 (weitere Auflagen bis 1973)
- Haller, Klaus: Katalogkunde. Formalkataloge und formale Ordnungsmethoden. - München [u.a.], 1980
- Payer, Margarete: Preußische Instruktionen. - 2011 (kurze Zusammenfassung der Regeln aus heutiger Sicht)
- Rusch, Gerhard: Einführung in die Titelaufnahme nach den "Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken". - Bd. 1.2. - Leipzig, 1965-1966 (weitere Auflagen bis 1972, auch in München [u.a.])
- Sass, Dale: Erläuterungen zu den Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preussischen Bibliotheken. - Leipzig, 1927 (2. Auflage. - Leipzig, 1931)
- Strassnig, Friedrich: Beispielsammlung für die Titelaufnahme. - T. 1.2. - Wien, 1973 (Leitfäden zur Bibliotheksprüfung 8)
- Gedruckte Bibliographien und Kataloge (Titel verzeichnet nach PI):
- Gesamtkatalog der preußischen Bibliotheken. Mit Nachweis des identischen Besitzes der Bayerischen Staatsbibliothek in München und der Nationalbibliothek in Wien (ab 9: Deutscher Gesamtkatalog) (GK). - Berlin, 1931-1939 (A-Beethordnung). - Reprint: Nendeln, 1976 (A-Belych) (vgl. Bibliographienkunde, S. 40-41)
- Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV). 1700-1910. - München, 1979-1987 (vgl. Bibliographienkunde, S. 86-91)
- Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV). 1911-1965. - München, 1976-1982 (vgl. Bibliographienkunde, S. 94-95)
- Berliner Bibliotheken, Zettelkataloge:
- Berliner Gesamtkatalog (BGK) (West-Berliner Bibliotheken bis 1990, Imagekatalog, nur lokal benutzbar!)
- Berliner Stadtbibliothek (BStB):
- AK 1 (Alphabetischer Katalog 1) (Literatur bis 1945, Imagekatalog, nur lokal benutzbar!)
- AK 2 (Alphabetischer Katalog 2) (Literatur von 1946-1974, Imagekatalog, nur lokal benutzbar!)
- Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) (keine Imagekataloge vorhanden, inzwischen auch in den OPAC konvertiert):
- Alphabetischer Katalog der Deutschen Staatsbibliothek Berlin : Druckschriften bis 1974. - Hildesheim [u.a.] : Olms, 1985 (Mikrofiche-Ausgabe)
- AK I (Alphabetischer Katalog I / Haus 1, Unter den Linden) (Berichtszeit: bis 1908)
- AK II (Alphabetischer Katalog II / Haus 1, Unter den Linden) (Berichtszeit: bis 1974 [Erwerbungen ab 1909, z.T. auch frühere aus dem AK I übernommen])
- AAK (Alter Alphabetischer Katalog / Haus 2, Potsdamer Str.) (bis Erscheinungsjahr 1984) (z.T. Dubletten zu AK I und AK II, Mikrofiche-Ausgabe)
- Alphabetischer Katalog der Deutschen Staatsbibliothek Berlin : Druckschriften bis 1974. - Hildesheim [u.a.] : Olms, 1985 (Mikrofiche-Ausgabe)
- Auswahl sonstiger Imagekataloge (IPACs):
Münchener Katalogisierungsordnung (MKO):
- Regeln (Sie beschränken sich auf die Form der Titelaufnahme, einschließlich der Wahl des 1. Ordnungswortes. Für die Ordnung der Karten im Katalog existierte eine separate Einlegeordnung!):
- Sekundärliteratur:
- Bayerische Bibliotheksschule: Beispielsammlung zu den Regeln der "Katalogisierungsordnung der Bayerischen Staatsbibliothek München". Zusammengestellt von der Bibliotheksschule der Bayerischen Staatsbibliothek München [durch Rupert Hacker]. - Bd. 1 (KO §§ 1-59). - München, 1970. - Mehr nicht erschienen
- Bayerische Bibliotheksschule: Einführung in die Titelaufnahme nach den Regeln der "Katalogisierungsordnung der Bayerischen Staatsbibliothek München". Zusammengestellt von der Bibliotheksschule der Bayerischen Staatsbibliothek München [durch Rupert Hacker]. - Bd. 1.2. - München, 1968-1969 (2., überarbeitete Auflage. - München, 1971-1972)
- Haller, Klaus: "Über die Beschreibung der Bücher". Zur Geschichte der Münchener Katalogisierungs-Ordnung. - In: Bibliotheksforum Bayern 7.1979. - S. 99-108
- Unterschiede zwischen PI und MKO (Auswahl)
- Kataloge:
- Bayerische Staatsbibliothek München (BSB München) (inzwischen auch in den OPAC konvertiert):
- Imagekatalog 1841-1952 (QK = Quart-Katalog) (Katalogkarten im Quartformat (18 x 21,5 cm))
- Imagekatalog 1953-1981 (IFK = IF-Katalog) (Katalogkarten im internationalen Format (12,5 x 7,5 cm))
- Bayerische Staatsbibliothek München (BSB München) (inzwischen auch in den OPAC konvertiert):